Spielautomaten, 2009
2 C-prints, 121 x 100 cm

The realism of the photograph is deceiving, since in fact it is a scaled down room, a model. This model is the first visualisation of a remembered room. The chosen scale allows reproducing the rooms’ materiality. The reconstruction creates room shells which turn the siding of their interior into its protagonist. The downsizing defamiliarizes and simplifies structures, and thus the proximity to the remembered place grows. The amplification of the photograph develops in its fragment the illusion of showing a real room.


Spielräume

Zwei Spielautomaten hängen an einer mit Steinplatten verkleideten Wand eines Hauseinganges. Der rechte spiegelt sich in einer Glaswand, durch die von oben Scheinwerferlicht so fällt, dass die Werbung eines Pizzalieferanten von der Rückseite gerade noch zu entziffern ist. Am Boden liegen achtlos weggeworfene Papierfetzen. Gelb, rosa und weiß zieren drei erstaunlich akkurat angebrachte Aushänge eine zweite Glaswand, die den kleinen Raum von einem Gang abtrennt, auf den das mehrfach gebrochene Licht in fahlem Gelb trifft. Die Fensterrahmungen und die angehefteten Zettel hinterlassen auf diese Weise unterschiedlich große ausgefranste Raster und Flecken in Dunkelgrautönen auf der linken Wand.

Es ist scheinbar ein öffentlicher, momentan verlassener und wenig gepflegter Raum, den die Spuren seines Gebrauches prägen. Je länger man sich jedoch der lichtdurchfluteten Leere ausliefert, die farblich beleuchteten Oberflächen erkundet, Zusammenhänge von Licht und Schatten hinterfragt, und nicht zuletzt die Ränder des Raumes mit den Augen abtastet, wird klar, dass es sich hier keineswegs um das Foto eines realen Raumes handelt, sondern um die Fotografie eines Modells. Deutlich markiert die türkisfarbene Kante des Modellglases am rechten Rand des Fotos die Grenze des artifiziellen Raumes und fordert indirekt dazu auf, seine Ausstattungsstücke und ihre konkrete Beschaffenheit näher zu betrachten. Der erste Blick auf einen scheinbar bekannten und ebenso unpersönlichen Ort, der sich in vielen öffentlichen Gebäuden finden könnte, wird so von der Neugierde überlagert, die betont künstliche Machart zu hinterfragen und die zweidimensionale Oberfläche des Fotos in ihrer Eigengesetzlichkeit aus Farben und Mustern zu erfassen. Weit davon entfernt, rein ästhetische Spielerei mit dem Realitätsversprechen von Fotografie zu sein, lädt dieses wie auch die anderen Fotos von Sandra Krause Gomez dazu ein, scheinbar bekannte Räume durch die Verfremdung anders erfahrbar zu machen, Räume sowohl in ihrer gestimmten Vertrautheit vorzuführen als auch zu imaginär begehbaren Skulpturen zu verwandeln. Es ist daher nur konsequent, mit mehreren Fotos desselben Modells die Möglichkeiten der Fotografie auszuloten, die Räume auf diese Weise jeweils neu zu ‚stimmen’ und darüber hinaus die Modelle, deren Konstruktion den Fotos vorausgeht, mit auszustellen. Gerade die Kombination der fotografierten Ansichten mit dem Modell selbst offenbart die künstlerische Konstruktion von Räumen in verschiedenen Medien, und dennoch wirken die einzelnen Arbeiten auch für sich.

Während die Fotos mit den Spielautomaten im gläsernen Kasten aufgrund der vielen Details vorgeben, eine Geschichte zu erzählen, lenken die holzvertäfelten Zimmer mit und ohne überdimensioniertem Kühlschrank die Aufmerksamkeit noch stärker auf die Wirkung der Räume selbst, aus deren Gedrungenheit allein das helle Licht einen Ausweg zu bieten scheint. Die Miniatur-Objekte, deren Oberflächen das Licht mal schlucken, mal aggressiv zurückwerfen, verlieren ihre Bedeutung als Werkzeuge und werden umso mehr in ihren plastischen Formen zu eigenständigen Tableaus zusammengefügt.

Die Qualität der Arbeiten liegt in dem Zusammenwirken einer strengen Formsprache, die sich aus der Ordnung der Fotografie speist, mit der illusionistischen aber ästhetisch gebrochenen Evokation alltäglicher Räume, die in dieser Aufbereitung etwas gleichermaßen Faszinierendes wie Unheimliches bekommen. Gerade aufgrund ihrer Strenge werden sie so zu Spielräumen der Imagination.

Tanja Michalsky

 SANDRA KRAUSE GOMEZ